Ehrenamtliche, Jennifer Rydlichowski

Ich bin selbst
vor über 30
Jahren vor dem
Bürgerkrieg
geflohen und
kann nachvoll-
ziehen, wie
schwierig es ist,
in einem frem-
den Land neu
anzufangen.

                                       Tirhas

Geburtsjahr: 1975 (Tirhas), 1974 (Zion)
Ehrenamtlich aktiv seit: 2015
Engagiert bei:
Eritreische Gemeinschaft Berlin und
Brandenburg e.V.*
Vermittelt von:
WILLMA Freiwilligen-Agentur
Friedrichshain-Kreuzberg

Tirhas

Woldegiorgis

Zion

Maesho

Was ist Ihr beruflicher Hintergrund ? Auf welche Weise hat dieser die Wahl Ihres Ehrenamts beeinflusst? Und in welchem Verhältnis stehen heute Ihre berufliche Tätigkeit und Ihr ehrenamtlicher Einsatz?

» Tirhas: Ich bin Dolmetscherin und begleite geflüchtete Menschen aus Eritrea oder Äthiopien zu Ämtern oder zu Ärzten. Dadurch ist auch mein Engagement entstanden. Seit 2015 helfe ich auch ehrenamtlich bei Problemen mit den Ämtern, übersetze Briefe der Behörden. Ebenfalls 2015 haben wir dann damit begonnen, Jugendlichen zu erklären, wie das Leben in Deutschland funktioniert und worauf es hier im Alltag ankommt. Da geht es um Kleinigkeiten, die für uns normal sind, für geflüchtete Menschen aber Hürden darstellen können. Ganz einfach Dinge, zum Beispiel wo und wie man in den Bus einsteigt. Und was die Behindertenplätze sind und dass man sich dort nicht ohne Grund hinsetzt. ‹‹

» Zion: Ich arbeite als Integrationslotsin und bei mir ist es ganz ähnlich. Ich begleite Geflüchtete aufs Amt oder zur Ausländerbehörde, übersetze für sie oder gehe mit ihnen zum Arzt oder ins Jobcenter. Seit 2015 versuche ich auch ehrenamtlich bei der Integration von jungen Menschen aus Eritrea und Äthiopien zu helfen. Vor drei Jahren entstand dann die Idee, einen Verein zu gründen. ‹‹

Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich? Was motiviert Sie zu Ihrem freiwilligen Einsatz?

 » Tirhas: Wenn wir uns gegenseitig helfen, dann werden Probleme kleiner und leichter. Ich weiß, wie schwer die Situation in Eritrea ist, deshalb ist es selbstverständlich, dass ich mich für Menschen engagiere, die den Verhältnissen dort entkommen sind. Die Lage in Eritrea ist schrecklich. Menschen werden verfolgt und eingesperrt. Ich bin selbst vor über 30 Jahren vor dem Bürgerkrieg geflohen und kann nachvollziehen, wie schwierig es ist, in einem fremden Land ganz neu anzufangen. ‹‹

 » Zion: Vor drei Jahren entstand die Idee einen Verein zu gründen. Der Anlass war traurig. Innerhalb weniger Tage haben sich drei geflüchtete Personen aus Eritrea das Leben genommen. Sie alle waren verzweifelt und einsam. Dagegen wollten wir etwas unternehmen, eine Anlaufstelle bieten und Menschen zusammenbringen. Durch Corona hat sich die Gründung unseres Vereins dann lange verzögert. Aber letzten März war es endlich so weit. ‹‹

 Tirhas Woldegiorgis und Zion Measho gehören zu den Gründungsmitgliedern der Eritreischen Gemeinschaft Berlin und Brandenburg e.V. und engagieren sich für die eritreische Community.

Was bestärkt Sie in Ihrer Arbeit? Welche Dinge sind eher schwierig?

» Tirhas: Viele Menschen, die wir treffen und denen wir helfen wollen, sind misstrauisch. Wir versuchen dann, Vertrauen aufzubauen. Schwierig ist dabei manchmal, dass die Personen Angst haben, sich helfen zu lassen. Dabei ist das dringend nötig. Viele bekommen Briefe, die sie nicht verstehen, und reagieren dann nicht rechtzeitig. Aber es gibt viele Beispiele, die Mut machen. Ein junger Mann, den ich seit 2014 kenne, macht gerade seine Ausbildung als Krankenpfleger fertig. Das macht mich glücklich. ‹‹

» Zion: Viele der Menschen, die wir seit mehreren Jahren begleiten oder begleitet haben, sind heute voll integriert. Sie machen eine Ausbildung oder arbeiten als Fahrer. Einer ist Elektriker geworden, eine junge Frau arbeitet bei der Post. Sie sind auf einem guten Weg und das macht uns stolz. Natürlich gibt es auch vieles, was nicht so gut läuft. Viele junge Menschen aus Eritrea kommen hierher mit den falschen Versprechen der Schlepper. Sie glauben, hier gibt es für jeden Arbeit und Geld. Viele sind Analphabeten und müssen erst einmal lesen und schreiben lernen. Das ist sehr hart und für alle frustrierend. Manche haben Probleme mit Alkohol und Drogen. Aber wir geben nicht auf und wir wollen Vorbilder sein, dass man es hier in Deutschland schaffen kann, wenn man sich anstrengt. ‹‹

Können Sie selbst nach Eritrea reisen? Wie ist die Lage im Land?

» Tirhas: Nein. Ich war 2014 das letzte Mal in Eritrea und habe damals auch meine Mutter zuletzt besuchen können. Aber die Lage ist immer gefährlich. Die Militärregierung hat das Land in ein Gefängnis verwandelt, die Situation für die Menschen ist schrecklich. Die Armut ist groß und wer in der Opposition ist, wird verfolgt. Das schlimme ist, dass das fast niemanden interessiert. Syrien oder Afghanistan sind im Bewusstsein der westlichen Öffentlichkeit, Eritrea wird vergessen. ‹‹

Die Eritreische Gemeinschaft Berlin und Brandenburg e.V. hilft Geflüchteten aus Eritrea bei ihrer Ankunft in Deutschland. eritreischegemeinschaft@web.de

Tirhas Woldegiorgis und Zion Measho gehören zu den Gründungsmitgliedern der Eritreischen Gemeinschaft Berlin und Brandenburg e.V. und engagieren sich für die eritreische Community.