Ehrenamtliche, Jennifer Rydlichowski

Als „lebendiges
Buch“ kann
man mich – und
andere Personen,
die von Diskrimi-
nierung betroffen
sind – ausleihen.

Geburtsjahr: 2004
Ehrenamtlich
aktiv seit: 2019
Engagiert bei
und vermittelt von:
Lebendige Bibliothek*

Lionel

Krauß

Was ist Ihr Beruf? Wie hat das die Wahl Ihres Ehrenamts beeinflusst?

» Ich gehe noch zur Schule und mit meinem Ehrenamt als „lebendiges Buch” hat das eher wenig zu tun. Meine Mutter ist mit der Gründerin des Projekts befreundet, so kam der Kontakt zustande. Was ich merke, ist dass mich die Aufgabe stärkt. Dadurch, dass ich mich ehrenamtlich mit den Themen Randgruppen und Diskriminierung auseinandersetze und mit anderen darüber spreche, wird mein Auftreten insgesamt sicherer. Und ich will nach der Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Möglichst mit Kindern. Das hat sich auch durch mein Ehrenamt verstärkt. Ich bin seit vielen Jahren auch als Akrobat beim Juxzirkus in Schöneberg aktiv. Vielleicht mache ich es dort. ‹‹

Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich? Was motiviert Sie zu Ihrem freiwilligen Einsatz?

» Als ich das erste Mal von der Lebendigen Bibliothek gehört habe, war ich begeistert von dem Konzept und wollte unbedingt ein Teil davon sein. Das ist die beste Öffentlichkeitsarbeit gegen Vorurteile, die man sich vorstellen kann. Menschen, die von etwas betroffen sind, reden darüber mit anderen und bauen so Ressentiments ab. Das ist toll.

Ich bin selbst trans und schon als Kind in der Grundschule hätte ich genau so etwas gebraucht: mehr Wissen, mehr Selbstverständnis, mehr Aufklärung. Ich habe mit drei, vier Jahren schon angefangen, die Kleidung meines Bruders anzuziehen und bin damit überall angeeckt. Meine Klassenkameraden waren eingeschüchtert. Später durfte ich dann mit den Jungs nicht Fußball spielen, denen war ich zu weiblich, für die Mädchen wiederum war ich zu männlich. Dieses Schubladendenken aufzubrechen, dafür engagiere ich mich heute. Damit wir es Transpersonen und Transkindern in der Gesellschaft leichter machen ‹‹

Was begeistert Sie an ehrenamtlicher Arbeit? Welche Erfahrungen finden Sie eher schwierig?

» Als „lebendiges Buch” kann man mich – und andere Personen, die von Diskriminierung betroffen sind – ausleihen. Das heißt, ich führe mit einer oder mehreren Personen ein Gespräch und lasse mich befragen, um ein richtiges Bild entstehen zu lassen. Ich rede also über Transsexualität und über mein Leben als Jugendlicher. Meine Mutter engagiert sich auch als Elternteil eines Transkindes. Das ist toll, kann aber auch sehr anstrengend sein.

 

 Lionel Krauß ist Schülerund engagiert sich bei der Lebendigen Bibliothek.

Ich erzähle meine sehr persönliche Lebensgeschichte vor fremden Leuten. Es gibt Vieraugengespräche oder auch ein Podium, dann mit mehreren „Leser:innen”. Das kann am Anfang ein bisschen gruselig sein. Ich weiß nie, was die Person mir gegenüber denkt. Bisher ist aber nichts schief gegangen.

Und wenn es gut läuft, merke ich schnell, da lernt jemand was dazu. Manchmal sieht man richtig, wie es „Klick” macht, wenn jemand etwas neu verstanden hat. Dann gibt es einen Menschen mehr, der weniger Vorurteile hat. Das macht mich glücklich, das ist ein Schritt in eine bessere Welt. Aber ich habe auch schon selbst profitiert, als mir eine Rektorin nach einem Gespräch Tipps für rechtliche Dinge an der Schule gegeben hat. ‹‹

Wie läuft eine Ausleihe als „lebendiges Buch” ab?

» Ich habe bisher mehrmals an Seminaren für Lehrer:innen teilgenommen. Da geht es viel darum, wie sie mit Kindern umgehen. Da gebe ich Tipps und empfehle, dass man mit den Kindern spricht, wenn man merkt, dass es ihnen nicht gut geht. Mir ging es fünf Jahre lang in der Grundschule sehr schlecht und keinen hat es interessiert. Dann gibt es auch eine „öffentliche Bibliothek”, da sind wir meistens in einer echten Bibliothek und man kann uns für 15 bis 20 Minuten ausleihen und Fragen stellen. Bei mir laufen die ersten zehn Minuten meistens ähnlich ab. Ich werde gefragt, wann ich das das erste Mal gemerkt habe, dass ich trans bin, wie es in der Schule war, welche Probleme ich dort hatte. Manchmal sagt auch erst einmal niemand was. Dann erzähle ich einfach ein bisschen von mir. ‹‹

Sie haben von einer besseren Welt gesprochen. Was macht die aus?

» Für mich ist das eine Welt, in der jede Person ohne Angst vor Ablehnung und Diskriminierung, egal mit welcher Sexualität oder Identität sicher leben kann. Aber auch eine Welt, in der Kinder ein einfacheres Leben haben, in der man ihnen zuhört. Und in der es für jede Person überall sicher ist. ‹‹

Die Lebendige Bibliothek engagiert sich gegen Vorurteile und Diskriminierung www.lebendige-bibliothek.org

Lionel Krauß ist Schülerund engagiert sich bei der Lebendigen Bibliothek.